Wer bin ich?

Nasrudin kam in eine Karawanserei, wo er sich mit vielen anderen einen Raum zum Nachtlager teilen musste. „Ich möchte wissen, wie es die Leute machen, um sich hier nicht selbst zu verlieren und überhaupt noch zu wissen wer sie sind“, so grübelte er. Dann dachte er: „Ich muß mich gut an mich erinnern, sonst gehe ich mir womöglich verloren.“ Nasrudin wollte schlafen, aber er hatte eine Schwierigkeit und grübelte: „Wie soll ich mich wiederfinden, wenn ich aufwache? Wie soll ich noch wissen, wer ich bin?“ Er vertraute sich seinem Nachbarn an. „Ganz einfach“, sagte dieser, „hier ist ein aufgeblasener Ballon. Binde ihn an deinem Bein fest und lege dich schlafen.“ Wenn du aufwachst, schaue dich nach dem Mann mit dem Ballon um, und der bist du.“ Nasrudin fand die Idee großartig, tat wie ihm geheißen und schlief ein. Nachts kam jedoch ein Strolch und band den Luftballon an das Bein des Nachbarn. Am morgen wachte Nasrudin auf, schaute sich nach dem Ballon um und entdeckte ihn am Bein des Nachbarn. „Da bin ich ja!“ dachte er und weckt seinen Nachbarn. Nasrudin zeigte auf den Ballon: „Wegen des Ballons kann ich sagen, daß du ich bist. Aber – wenn du ich bist – wer, um Gottes willen, bin denn ich?“
Frei nacherzählt nach Idries Schah, Das Geheimnis der Derwische, Freiburg 1995.

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