Innerer Kritiker, Innerer Richter und Innerer Antreiber

Der innere Kritiker zerstört unser Selbstvertrauen und unseren Selbstwert.  „Du bist nicht gut genug“, „Streng dich an“, „Du schaffst das nicht“, „Dich mag sowieso keiner“, „Du bist dumm“ sind innere Stimmen, die von innen her zu uns dringen. Es sind nicht immer solche Sätze, sondern der Innere Kritiker wirkt im Hintergrund als subtiles Gefühl, das unsere Vitalität, unseren Willen, Selbstvertrauen und Lebenslust ausbremst. Der Versuch ihn in Schach zu halten kostet enorm viel Energie und am Ende sind wir häufig der Verlierer. Selbstvertrauen, Selbstbestimmung und Selbstliebe kommen uns immer mehr abhanden. 

Der Innere Kritiker entsteht in der frühen Kindheit. Überzeugungen, Wertesysteme und destruktive oder abwertende Verhaltensweisen der Eltern, der Umgebung und Betreuungspersonen. Der eigene Wille und die Eigeninitiative des Kindes ist häufig nicht willkommen oder das Kind muss das eigene wahre Selbst verleugnen, um sich den Eltern anzupassen. Es versucht, die Bindung zu den Eltern zu sichern, weil es ohne diese Bindung verloren ist. Für diese destruktive Art der Bindung, die mit einer starken Anpassung in Bezug auf die Eltern einhergeht, zahlen wir einen hohen Preis: Anpassung statt Entwicklung eines eigenen Willens und einer gesunden Ichstärke. Als Folge mangelt dem Kind an Vertrauen in die Welt und in sich selbst. Es fühlt sich weder unterstützt noch erlebt es die Welt als sicheren Ort.
Das Kind bekommt Anerkennung für gute Leistungen in der Schule oder im Sport. Wenn es brav und gefällig ist, bekommt es liebevolle Zuwendung. Damit verbunden ist jedoch eine enorme Anpassungsleistung, Anstrengung und seelische Überforderung des Kindes. Es entwickelt keine Orientierung aus sich selbst heraus, sondern der Innere Kritiker übernimmt die Führung. Es sind die Stimmen der Eltern oder anderer Bezugspersonen, die zu Introjekten werden, zu ständigen Begleitern als innerer Kritiker, Richter und Antreiber.
Konstruktives und positives Feedback von anderen können wir häufig nicht mehr annehmen, denn wir sind der Überzeugung, dass die anderen sowieso bemerken werden, dass wir ein Versager sind.
Es fällt uns sehr schwer, diese „Introjekte“, diese fremden, uns eingepflanzten Normen und Werte zu erkennen und ihnen etwas entgegenzusetzen. Wir hinterfragen uns selbst und versuchen permanent den Erwartungen von anderen gerecht zu werden. Das Selbstgefühl und der Kontakt zu uns selbst wird immer weniger.
Der innere Kritiker bringt uns immer wieder in Situationen in denen wir uns klein, schwach und hilflos fühlen und uns zuschreiben, dass wir minderwertig sind. Manche Menschen erleben Scham und Schuld. 

Auf Grund von unsicherer Bindung in der Kindheit, Bedrohungen, emotionaler Vernachlässigung, Abwertung oder Mißbrauch entwickeln Kinder unterschiedliche Selbstbilder und Reaktionsmuster, die häufig als Erwachsene beibehalten werden:

  • zwanghafter Perfektionismus
  • Leistungsdruck
  • Schuld und Scham
  • strenge Urteile über sich selbst und andere
  • ständige Vergleiche mit anderen
  • Kopfzerbrechen, Grübeln
  • Selbsthass

Wir wollen irgendwie perfekt sein, um die Liebe und Aufmerksamkeit der Eltern zu bekommen. Der innere Kritiker wird immer härter und treibt uns an. Gleichzeitig entsteht viel Frustration, weil wir dennoch nicht bekommen was wir brauchen oder weil wir uns selbst dafür verraten müssen. Es tut weh zu erkennen, dass die eigenen Anstrengungen, die Liebe und Anerkennung der Eltern zu bekommenen, nichts gebracht haben. Wir geben doch alles für Anerkennung und Zuwendung und bekommen nichts zurück.
Das Kind ist überzeugt, dass die eigene Unzulänglichkeit für die Ablehnung der Eltern verantwortlich ist. Es kann noch nicht erkennen, dass die Unzulänglichkeit bei den Eltern liegt. Scham- und Schuldgefühle werden stärker. Häufig sind sie uns nicht bewußt, doch sie wirken wie aus dem Hintergrund. Manchmal wiederholt sich dies später in Paarbeziehungen, Freundschaften und Eltern-Kind-Beziehungen.

Für das Kind ist die Entwicklung des Inneren Kritikers ein Teil seiner Überlebensstrategie. Entsprechend schwer können wir diesen inneren Anteil aufgeben. Die Angst vor dem Verlassenwerden, vor Manipulation oder gar Gewalt ist immer noch in uns und wir glauben, wir müssen wir uns schützen.
Dies ist uns häufig nicht bewußt, denn diese Angst sitzt in unserem Nervensystem. Wir sind immer noch im Überlebensmodus und wir bemerken nicht, dass wir im Überlebensmodus agieren, weil es uns inzwischen so vertraut ist. Was wir bemerken sind allerlei körperliche und seelische Symptome wie chronischer Stress, Angespanntheit, Energielosigkeit, Gereiztheit, Ängste usw.
Ruhe und Gelassenheit kennen wir nicht, weil wir keinen liebevollen Kontakt zu uns selbst enwickeln konnten. Entweder wir sind mit uns selbst verbunden, fühlen uns sicher und entspannt oder wir sind im Überlebensmodus.
Verhaltenstherapie, Achtsamkeitsübungen usw. reichen hier nicht aus. Der traumatische Stress von früher muss aufgelöst und integriert werden. Wenn wir beginnen zu verstehen, wie die frühen Muster entstanden sind, wie sie für das Kind Sinne ergeben haben, in der Gegenwart jedoch hinderlich sind. Wenn tiefes Anerkennen und Verstehen, Mitfühlen mit sich selbst und die Erfahrung, dass wie heute eine Wahl haben, in unserem Nervensystem ankommen, dann wird dem Inneren Richter die Kraft entzogen.

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